MPEG-4: Alles zum Thema Lizenzrechte

MPEG-4 LizenzgebührenBei den Lizenzrechten und- fragen zu MPEG-4/H.264 herrscht große Unklarheit. Die meisten wissen nicht einmal, dass es Lizenzgebühren für das Anbieten und Verbreiten von Videos im MPEG-4-Format gibt. Wann fallen Gebühren an? Wie hoch sind diese?

Nicht gerade unschuldig daran ist die Lizenzpolitik, die ziemlich undurchsichtig ist. Da auch bereits einige E-Mail-Anfragen zu diesem Thema bekommen habe, fasse ich meine Erkenntnisse in diesem Beitrag zusammen.

Passenderweise hat auch Tim Siglin diese Woche einen Artikel auf streamingmedia.com veröffentlicht, den ich an einigen Stellen zitiere.

Patentpools für H.264 und AAC

Viele der Verfahren im Videocodec H.264 stammen von unterschiedlichen Firmen und unterliegen deren Patenten. Um die Vorgehensweise für das Benutzen von H.264 zu vereinfachen, wurden ein so genannter Patentpool gebildet. Dieser verwaltet die Patente des Videocodecs und gibt die Einnahmen entsprechend weiter.

Es gibt für MPEG-4 zwei Patentpools:

  • MPEG-LA (Licensing Authority)
  • Via Licensing (Tochterfirma von Dolby Laboratories)

Wie erwähnt ist MPEG-LA für H.264 zuständig. Für den Audiocodec AAC gibt es Via Licensing.

H.264

MPEG-4 Aufteilung Lizenzgebühren

Lizenzrechte für Hersteller von Encoder/Decodern

Der erste Gruppe, die Lizengebühren zu zahlen hat, sind Hersteller von Encodern und Decodern („Code manufactures“). Dies ist eigentlich nichts ungewöhnliches und auch leicht nachvollziehbar. Möchte ein Hersteller den Codec nutzen und in seine Software integrieren, so muss er dafür zahlen.

Um dies an einem anderen Codec zu erklären: So hat z.B. Adobe sicherlich On2 eine bestimmte Summe gezahlt, um den Codec On2 VP6 in die Creative Suite (Encoding) oder den Flash Player (Decoding) zu integrieren.

Lizenzrechte für Anbieter von Inhalten

Um bei dem vorigen Beispiel zu bleiben: Verwendet und verbreitet man als Websitebesitzer Videos mit On2 VP6, muss man keine Gebühr gezahlt.

Anders verhält sich dies jedoch bei MPEG-4/H.264. Verwendet man Videos mit diesem Codec, kann es unter Umständen passieren, dass Gebühren für die Verbreitung anfallen!

Entscheidet für die Bemessung ist, ob man mithilfe der H.264-codierten Videos Geld verdient.

Es gibt vier verschiedene Vertriebsmodelle, bei denen für den Distributor Lizenzkosten entstehen:

  1. Subscription
  2. Title-by-Title purchase
  3. „Free“ television
  4. Internet broadcast

In Kategorie 1 und 2 sind die Fälle enthalten, in denen der Nutzer für das Anschauen der Videos bezahlen muss. Dies könnte z.B. der Aboservice einer „Online-Videothek“ oder das Kaufen von Filmen über das Web sein (z.B. Video-on-Demand) sein.

Bei den Kategorie 3 und 4 zahlt der Nutzer zwar nichts, aber der Betreiber erzielt Einnahmen. Dies kann z.B. ein Fernsehsender oder ein werbe-/sponsorenfinanziertes Online-Filmportal sein.

Subscription

„Subscription“ bedeutet, dass der Nutzer die H.264-kodierten Videos in einem Abonnement bezieht. Unter 100.000 Abonnenten ist dies kostenlos. Bei einer größeren Nutzerzahl sieht es folgendermaßen aus:

  • 25.000$ (ab 100.000 Nutzern)
  • 50.000$ (ab 250.000 Nutzern)
  • 75.000$ (ab 500.000 Nutzern)
  • 100.000$ (mehr als 1.000.000 Nutzer)

Damit die Kosten nicht ins Unermesslich steigen, wenn z.B. verschiedene Kategorien (Aboservice + Werbung) kombiniert werden, sind die MPEG-4-Lizenzgebühren pro Firma gedeckelt. „On an annual basis, these fees cannot exceed $4.25 million per year in 2008-2009, increasing to $5 million per year in 2010.“

Generell sieht man auch schon, dass es nicht darum geht, jemandem mit einer Hobby-Website, einer Corporate Website, eines Blogs, etc. für die Nutzung von H.264 das Geld aus der Tasche zu ziehen. Im Wesentlichen geht es um den Einsatz der Technologie im größeren Rahmen.

Title by Title

Mit „Title by Title“ ist ein Verkauf oder das Vermieten von einzelnen Filmtiteln gemeint. Allerdings gilt dies nur für MPEG-4-Videos, die länger als 12 Minuten sind. Die anfallenden Kosten liegen bei 2% der Einnahmen oder $0,02.

Alle kürzen Videos wie Kinotrailer, YouTube-Videos oder ähnliches sind somit kostenfrei.

Free television

Unter diesem Punkt wurde zuerst nur die klassische Ausstrahlung („Over the Air“) verstanden. Der Begriff wurde jedoch ausgeweitet:

Formerly limited only to over-the-air broadcasting, ‚Free Television AVC Video‘ now refers to AVC Video that constitutes television broadcasting which is sent by an over-the-air, satellite and/or cable Transmission

Gebühren fallen hier sowohl für Encoder (2.500$) als auch in Form einer jährlichen Broadcast-Gebühr an (ab 100.000 Haushalte, 2.500$ bis zu 1 Mil. Haushalte, 10.000$).

Internet broadcast

Auch bei der Internetübertragung muss festgehalten werden, dass Gebühren für die Distribution anfallen, selbst wenn die Einnahmen nur indirekt erzielt werden.

Content encoded, distributed, and viewed by end users is subject to the participation fee, even if the viewership is advertising- or sponsorship-driven.

Allerdings: Im ersten Schritt werden die Gebühren erlassen („there will be no royalty during the first term of the License (ending December 31, 2010)“). Danach soll die Kosten nicht höher sein als im Bereich „free television“.

Update: Für die Nutzung des Codecs in Verbindung mit kostenlosen Internetinhalten werden dauerhaft keine Lizenzgebühren anfallen. Dies scheint die Reaktion der Patentinhaber auf WebM / VP8 zu sein.

Fazit

Wer den Industriestandard MPEG-4 im großen Stil nutzen möchte, muss Lizenzgebühren zahlen. Im Gegenzug dafür erhält er eine ausgereifte und zeitgemäße Technologie.

Falls Fragen zu diesem komplexen Thema bestehen, einfach einen Kommentar hinterlassen. Gerne auch, wenn Ihr weitere Infos zu diesem Thema (entdeckt) habt.

Link: Back to Basics: H.264 Licensing Terms
Link: Zusammenfassung der MPEG-4-Gebühren von MPEG-LA (PDF)
Link: Via Licensing
Link: MPEG LA’s AVC License Will Not Charge Royalties for Internet Video That Is Free to End Users

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Bildquelle: Flickr

26 Gedanken zu „MPEG-4: Alles zum Thema Lizenzrechte“

  1. hallo & danke für die zusammenfassung!
    wie ist das denn mit einer (kleinen) band, die ihre als MPEG-4 bzw H.264-codierten musik videos ins netz stellt, plötzlich einen web-hype erfährt und auf indirektem wege (durch konzerte und plattenverkäufe) damit plötzlich geld verdient? ab welcher größenordnung muss man sich da denn sorgen machen?

    sind fälle bekannt, in denen anwender den codec benutzt haben, keine lizenzgebühren gezahlt haben, „erwischt“ wurden und strafe zahlen mussten?

  2. @sosi: Ich vermute, dass das Entscheidende ist, ob das Video nur Beiwerk auf der Website ist (z.B. eine Bandinfo, um über die Band zu informieren). Oder ob es der Content ist, der die User „anzieht“ (z.B das exklusive Livekonzert als weltweites Superdupper-Promo-Event im Web).

    Iche denke nicht, dass die Ursache (Webhype) ein Grund wäre. Die Frage ist ja, wie viele User die Videos weiterhin anschauen würden etc. Also das Anbieten der Videos und ob dadurch Einnahmen entstehen.

    Ich noch nirgends gelesen, dass irgendjemand verklagt wurde.

    @Christian: Danke :)

  3. hallo,

    bin leider zu wenig bewandert auf dem gebiet.

    kann ich H.264 videos nur mit MPEG4 codieren?! (oder haben die garnichts miteinander zu tun?

  4. Hallo,

    vielen Dank für die umfassenden Detailinfos. Mich würde interessieren, wer in folgendem Fall MPG4-Lizenzgebühren bezahlen muss:
    Der Contentprovider liefert einen Stream aus und ein anderer Anbieter zeigt diesen Stream über einen Player auf seiner Website an. Wer muss in diesem Fall MPG4-Lizenzgebühren bezahlen?

    Philip

  5. Interessante Frage. Das wäre so meine Einschätzung:

    Sicherlich bietet der Contentprovider die Videos nicht aus reinem Vergnügen, sondern will auch etwas verdienen. Dann wäre ja schon der Fall erfüllt, dass Einnahmen durch die Videos entstehen und der *Contentprovider* dafür Lizenzgebühren zahlen muss.

    Dies wird er nun sicherlich dem anderen Anbieter in irgendeiner Form weiterbelasten.

  6. Danke für die Infos.

    Habe ich das richtig Verstanden, wenn man .flv Flashvideos auf seiner Webseite hat, muss man dafür nichts bezahlen?

    Wie schaut das denn aus wenn man Mpeg4 Videos als „subscription“ oder“ title by title“ (unter 12 min.) anbietet, aber nur 100 Abo’s bzw. Downloads je Monat hat. Muss man der mpegla das trotzdem melden oder kommen die bei Interesse von selbst auf einem zu?

    Markus

  7. Benutzt doch ogg mit Theora und Vorbis Codecs. Das macht Wikipedia auch so. Freie Standarts machen das Leben leichter.

  8. Was ist denn eine gute Software um Videos im VP6 legal zu erstellen?

    Ist eigentlich auch VP6-S für HD, für Content Lizenzfrei?

  9. Für fortgeschrittenes VP6-Encoding kommt z.B. Sorenson Squeeze oder On2 Flix in Frage. Alternativ, wenn’s günstiger und weniger komplex sein soll, der normale Encoder von Flash.

    Ich wüsste nicht, dass es lizenztechnisch Unterschiede zwischen VP6-S und VP6-E gibt. Ich denke, dass wird gleich behandelt.

  10. Danke. Habe mir mal On2 Flix angeschaut. Jetzt kann man da den Ton nur unkomprimiert oder als MP3 ausgeben. Fallen da nicht für MP3 dann doch wieder Lizenzgebühren an, wenn man die Videos kommerziell anbietet?

  11. In Flash ist die Kombination immer VP6 als Videocodec und MP3 als Ton. Ich wüsste nicht, dass es zu MP3 Lizenzgebühren für die Distribution gibt (bei MPEG-4 ist ja AAC und nicht MP3 als Audiocodec enthalten). Insofern also kein Problem.

  12. Ich habe bei http://mp3licensing.com/ geschaut und gelesen das Gebühren für Mp3 downloads anfallen können. Zum Ton in Flash habe ich nichts gefunden. Ich habe denen mal eine Anfrage dazu geschrieben, aber leider noch keine Antwort bekommen.

  13. Interessant. Danke für den Hinweis. Ich habe eine, wenn auch etwas ältere, Diskussion zum Thema „MP3 + Flash + Lizenz“ entdeckt:
    http://board.flashkit.com/board/showthread.php?t=493879&page=2

    „The bottom line is they believe you need to buy a license from them if you use MP3 audio in Flash and your company has revenues over $100,000. And, if you are working for a client, and they have revenues over $100,000 then they too must pay for a license.“

    Bin mal gespannt, was Dir geantwortet wird.

  14. Leider habe ich bis Heute noch keine Antwort von mp3licensing bekommen, obwohl ich schon zwei Anfragen gestellt habe.

    Danke für den Link.
    Wie ich das sehe braucht man scheinbar nur eine Lizenz erwerben wenn man über Einhundertausend Dollar Umsatz, in Verbindung mit mp3, im Jahr erwirtschaftet. Da werde ich nicht rankommen ;)

  15. Pingback: www.video-flash.de
  16. Was ist eigentlich, wenn der Anbieter mit den Videos kein Geld verdient (auch nicht indurekt)?

    Konkret geht es um eine Non-Profit-Organisation, die ein Videoportal betreibt, das Filme zum "Progressive Download" anbietet: http://www-exzellenz-initiative.de

    Wenn ich hier komplett auf H.264 umstelle – in welche Kategorie falle ich da, oder bleibt das wegen der "Gemeinnützigkeit" kostenlos?

  17. Hi Gerrit,
    gute Frage. Ich den Texte sehe ich eigentlich immer nur den Fall, wenn direkt oder indirekt Geld eingenommen wird. Ich würde mal sagen, dass das dann eigentlich gebührenfrei sein sollte.

  18. Hallo,

    von welcher vertraulichen Quelle kann ich den MPEG4 Codec beziehen? Zur Not auch nicht kostenfrei. MS bietet leider keine Möglichkeit.
    Für einen Kunden ist es zwingend notwendig eine verlässliche Quelle zu haben.

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